Folgt man der landläufigen Meinung der Wissenschaftsgeschichte, so war die Alchemie nichts weiter als ein Vorläufer der modernen Chemie. Tatsächlich soll gar nicht bestritten werden, dass einige Personen, die den tieferen Sinn der alchemistischen Schriften nicht verstanden, diese wörtlich nahmen und in der Gier nach Gold diese nur in ihrem materiellen Sinne auslegten und dann durch zumeist regelloses Experimentieren tatsächlich zu einigen Ergebnissen kamen, die dann die Anfänge der modernen Chemie bildeten.
In dieser Hinsicht ist die Alchemie tatsächlich der Vorläufer der modernen Chemie. Es ist aber bezeichnend, dass diese Personen, von den wahren Alchemisten verächtlich als Kohlenbrenner bezeichnet, im Sinne der Alchemie Außenseiter waren, die den Sinn der Schriften nie durchdrungen hatten. Dass die Verwendung von Stoffen aus der Natur in der Alchemie eher beiläufigen Charakter hatte und mehr Nachweis der geistigen Befähigung des Operanden als eigentlicher Selbstzweck war, wird von den Vertretern der Chemie gänzlich übersehen. Gerade die beliebige Wiederholbarkeit eines Experimentes von jedweder Person zu jeder Zeit ist es ja, die einen Eckpfeiler der modernen Naturwissenschaft bildet. Ein Einfluss des Experimentierenden auf das Experiment, der über eine bloß handwerkliche Fähigkeit hinausgeht, wird damit von vornherein ausgeschlossen. Aus der Sicht der heutigen Chemie stellen dann auch die von geheimnisvollen Alchemisten bis in die Neuzeit nachweisbaren Transmutationen von Metallen nichts weiter als Sinnestäuschungen der Beteiligten dar.
Die moderne Wissenschaft besteht aus einem System von Begriffen, Beziehungen und Hypothesen, die sie durch Experimente beweisen will. Da der Experimentierende in das Experiment aber nicht unmittelbar über den Erkenntnisprozess einbezogen ist, gerät das Ganze zu einer abstrakten und leblosen Angelegenheit. Das Moment der inneren Erfahrung im Sinne eines „so ist es“ fehlt völlig.
Die moderne Wissenschaft stützt sich auf das beschränkte menschliche Ich und den Verstand, welcher die Wirklichkeit immer aufgliedern muss, um etwas erfassen zu können. Den anschließenden Versuch, daraus eine Erkenntnis des Ganzen zu formen, hat schon von Goethe im Faust als unzureichend beschrieben. Er schreibt dort:
„Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben
Sucht erst den Geist heraus zu treiben.
Der hat die Teile in der Hand.
Fehlt leider! nur das geistige Band.
“
Der Versuch aus dem Niederen, also dem verstandesmäßig Erkannten, das Höhere, also das geistige Band, abzuleiten, muss fehlschlagen, da sich nur im Höheren, als dem Ursprung des Niederen, der gesuchte Zusammenhang finden lässt. Das menschliche Ich und seine rationale Erkenntnisweise können die Ebene der Zusammenhänge und Ursachen überhaupt nicht erreichen.