Reichhardt

GESCHICHTE

der Alchemie

Johann Reichardt aus Gunzenhausen

Beitrag von Herrmann Speckmann

Der Gunzenhausener Naturheilkundige Johann Reichardt, der zufällig dabeistand, ließ sich die Phiole geben. Er untersuchte sie und stellte fest, daß sich in der Phiole drei kleine, ebenfalls versiegelte Phiolen und ein handgeschriebener Zettel befanden.

In einem Gläschen war hellgrünes Olivenöl, im anderen befand sich ein hellgraues Pulver und im dritten ein fast schwarzes, feines Pulver.

Auf dem Zettel stand:

"Nimm 7 Gramm Plumbum, geuß darauf die schwarze Materie und die Flüssigkeit in einen Stein. Dann nimm Dein Feuer hervor, und schmelze es. Hierauf nimm die weiße Materie und die Verwandlung des Plumbum ins Sol ist vollendet.

NB. Operiere an einem abgelegenen Ort und verwahre Dein Augenlicht.

Inhalt drei Spezies."

Nachdem sie sich von ihrer Überraschung erholt hatten, führten sie sogleich im Labor des Apothekers Höß am 28. 5. 25 unter Anwesenheit von zwei Zeugen die erste Operation nach der Anweisung durch.

Darüber wurde ein Protokoll angefertigt.

Ergebnis: 7,020 g Plumbum hatten sich in 9,260 g reines Aurum von feinster Beschaffenheit verwandelt.

Danach wurden zwei weitere Operationen in Anwesenheit eines honorigen Obermedizinalrates, Oberregierungsrates und Ingenieurs durchgeführt, die allesamt Gold erbrachten.

1928 wurden nach der in der Phiole befindlichen Anweisung im Labor der Höheren Technischen Lehranstalt in Nürnberg insgesamt drei Versuche durchgeführt, die nach dem Zeitungsbericht allesamt erfolgreich waren. Die letzte Operation wurde vom Professor der Anstalt durchgeführt. Auch hier das Ergebnis: reines Gold.

Auch die Zutaten, Öl, weißes und schwarzes Pulver, wurden von der Einrichtung auf Gold untersucht. Es wurde - immer nach den Zeitungs­angaben - nichts gefunden.

Eine Zeitung titelte über einen einseitigen Zeitungsartikel zum Thema, dem zwei weitere folgten: "Johann Reichardt, der Gunzenhausenen Goldmacher!"

In jener von wirtschaftlicher Depression gekennzeichneten Zeit war die Nachricht eine Sensation. Mit dem alchemistischen Gold hofften etliche Zeitgenossen, die Reparationsforderungen der Siegermächte des Weltkrieges beschleunigt begleichen zu können. So fanden Betrüger wie der Münchener Ingenieur Tausend offene Ohren und Brieftaschen mit der Behauptung, durch Metallumwandlung Gold herstellen zu können.

Bei den Herren der Höheren Technischen Lehranstalt blieb Skepsis und Ablehnung bestehen. Der Direktor der Anstalt bestritt denn auch gegenüber der Presse die erfolgte Umwandlung von Blei in Gold.

Tatsache - oder eine Erklärung, die nach dem gängigen Weltbild erforderlich war?

Wohl weil die Pulver zur Neige gingen, war Reichardt gezwungen, diese neu herzustellen. Er schaffte es auch, das weiße Pulver, das dazu diente, hohe Temperatur zu erreichen, nachzuarbeiten. Die Nachbereitung des schwarzen Pulvers, das von den Alchemisten sogenannte Lebenselixier, das sich im Schmelzprozeß mit Blei in Gold verwandelt, hat er wohl nicht geschafft.

Hilfe bei der Nachbearbeitung des schwarzen Pulvers war ihm das Buch: 'Manuscripta Mea Pract./ I.C.R. Chirurgus et Balneator in Merano / Anno 1726', das nicht nur Heilmethoden enthält, sondern angeblich auch ausführlich das Verfahren beschreibt, wie Blei in Gold zu verwandeln ist. Aber es scheint nicht hinreichend die Information zur Produktion des schwarzen Pulvers enthalten zu haben.

Das oben genannte Buch ist leider nicht in der Liste der medizinischen und naturwissenschaftlichen Werke aufgeführt, die als Nachlaß von Reichardt in der von der Stadt Gunzenhausen verwalteten Hospitalstiftung verwahrt werden. Im übrigen eine sehr interessante Sammlung, u.a. mit Werken von Paracelsus.

So gab Reichardt die Arbeit am schwarzen Pulver und damit die Schmelzproben wohl auf.

Eine Analyse des schwarzen Pulvers in München ergab aufgrund der geringen Menge kein Resultat.

1929 war immerhin noch eine kleine Menge des Pulvers vorhanden. Vielleicht heute noch in den Museumsbeständen?

Auf die damalige Frage eines Reporters, warum er (Reichardt) nicht an der Weitergewinnung von Gold arbeite, sagte er, daß er genug zu essen habe und der Menschheit durch seine selbst hergestellten Öle, Pillen und Tonika helfen wolle.

Man hat auch versucht, den Hersteller der Phiole ausfindig zu machen. Er kann ein Alchemist Goldmann aus Gunzenhausen gewesen sein, der dort im 17. Jhdt. lebte.

Dann veröffentlichte der Altmühl-Bote in einem Leserbrief eine Erklärung der Vorgänge bei den Schmelzversuchen.

In Kürze: Wird Eisenvitriol in Goldchlorid gegeben, so entsteht ein dunkler Niederschlag (das schwarze Pulver?), das zu einem Goldkorn zusammengeschmolzen werden kann. Das Blei wäre dann nur zum Hokuspokus erforderlich.

Interessant ist es noch, die Persönlichkeit von Hans Reichardt zu skizzieren:

Er wurde 1896 in Gunzenhausen geboren und erlernte den Beruf des Metzgers. Nach dem 1. Weltkrieg begann er mit dem Selbststudium der Naturheilkunde. Dies anhand alter, zum Teil handschriftlicher Werke von Naturheilkundigen und Alchemisten.

Nach dem 1. Weltkrieg eröffnete er eine - bald sehr große - heilkundliche Praxis.

Im Museum der Stadt Gunzenhausen ist Johann Reichardt eine kleine Abteilung gewidmet. Dort finden sich neben der Alchemistenküche, in der er Heilmittel herstellte, auch Restbestände der Transmutations­versuche. Bereits zu Lebzeiten vermachte Reichardt einen Teil seiner Sammlungen dem Heimatmuseum. Nach seinem Tode, im Jahr 1974, folgten weitere Gerätschaften und Bücher.

In der Ausstellung ist neben alchemistischen Gerätschaften auch ein Totenkopf zu sehen. Ein Foto zeigt Reichardt mit einer runden Kappe auf dem Kopf.

Alles so, wie man sich einen okkultistisch orientierten Alchemisten, der um die Geheimnisse der Welt weiß, vorstellt.

Gelegentlich betätigte sich Reichardt auch als "Ausdruder", also als jemand, der böse Geister vertreibt. Es war kein Wunder, daß das Volk glaubte, daß er mit übersinnlichen Mächten im Bunde stand.

Noch heute erzählt man sich, daß Reichardts Hans, wie er genannt wurde, einen Zauberspiegel besaß, in dem er Diebe sehen konnte, die er dann zur Herausgabe der Beute zwang.

Reichardt schloß sich aber mit diesen Neigungen nicht aus dem öffentlichen Leben aus. Nach dem 2. Weltkrieg war er Mitbegründer des CSU-Ortsverbandes Gunzenhausen und er gehörte als geachteter Bürger dem Stadtrat und dem Kreistag an.

Zu Reichardt bleiben viele Fragen unbeantwortet.

Was ist von den Transmutationsversuchen zu halten?

Welche Heilmittel, die offenbar zu guten Erfolgen führten, stellte er wie her?

Wer Johann Reichardt nachspüren will, kann sich an das Archiv Gunzenhausen wenden. Dort wird er sicherlich sehr freundlich unterstützt werden. Wie ich auch, der mit dieser spannenden Geschichte zufällig, auf den Spuren des Limes wandernd, bekannt wurde.

Hermann Speckmann

 

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