Tinkturen

LABORPRAXIS

der Alchemie

Tinkturen, Essenzen und Extrakte

Beitrag von Jürgen Christian Bauer
aus Hermes Nr. 27

Einige sehr einfache, aber zuverlässige Verfahren 

Wenn man spagyrische Präparate herstellen möchte, dann muß man nicht immer die langwierigen "hochphilosophischen" Verfahren wählen. Es gibt auch recht einfache Möglichkeiten, die schnell und zuverlässig zu einem guten Ergebnis führen. Im Folgenden sind drei Möglichkeiten dargestellt, die einfach durchzuführen sind und die individuell variiert werden können. 

 1. Tinkturen 

Spagyrische Tinkturen können ebenso wie spagyrische Extrakte therapeutisch sehr wertvoll und zuverlässig sein. Man kann sie auf unterschiedliche Weise herstellen. 

Das einfachste Verfahren ist die Mazeration durch ein Ethanol-Wasser-Gemisch. Dabei werden die Pflanzen möglichst frisch, das heißt unmittelbar nach der Ernte, in ein Gemisch aus qualitativ hochwertigem Wasser (Aqua destillata, ~ bidestillata etc.) und ebenso hochwertigem Alkohol (Spiritus e Vino, Spiritus Frumenti o.ä., je nach Bedarf ) eingelegt. Ethanol unbekannter Herkunft darf nicht verwendet werden. Das Mazerations-Gefäß sollte zur Sicherheit aus Glas, Steingut oder Porzellan bestehen, nicht aus Metall oder Kunststoff. Wie sich für diesen Zweck moderne Gefäße bewähren, zum Beispiel solche aus V4A-Stahl, kann im Moment noch nicht beurteilt werden. Nach der ausgedehnten Mazeration - vielleicht über einen Zeitraum von 28 Tagen - gewinnt man die Tinktur durch sanftes Ablaufenlassen der Flüssigkeit und anschließendes Abpressen der Pflanzenteile. Anschließend müssen noch "die Salze" zugefügt werden. Dabei gibt es zwei Wege. 

Der bekanntere Weg ist, daß der Preßrückstand verascht und mit destilliertem Wasser extrahiert wird. Die so gewonnene Aschensalzlösung wird eingeengt, die Salze auskristallisiert und dann im Auszug gelöst. Dieser Weg ist bei allen Zubereitungen, die einen antitartarischen (1 Effekt haben sollen, interessant. 

Der zweite Weg besteht darin, "passende" Metallsalze zuzugeben. Das können zum Beispiel bei Präparaten, die eine Leberwirksamkeit haben sollen, Zubereitungen aus Zinksalzen sein, und bei Präparaten, bei denen eine Herzwirksamkeit angestrebt wird, Zubereitungen aus Magnesiumsalzen. 

Für die Zinkzubereitungen kann man natürlich vom Galmei oder von einem anderen Zinkmineral ausgehen. Es ist aber einfacher Zinkoxid zu verwenden. Ähnlich ist dies beim Magnesium. Hier gibt es zwar Magnesit oder mit einer Tinkturen, Essenzen und Extrakte Kalzium-Komponente Dolomit, in unserem Zusammenhang - bei dem es ja um einfache, aber effektive Verfahren geht - ist es besser, von der gebrannten Magnesia (Magnesiumoxid) auszugehen; die Metalloxide entsprechen den Calcinaten. 

Von der Dosierung her am überschaubarsten ist es allerdings, wenn man vom reinen Metall ausgeht. Man muß den Metallgehalt der Verbindung dann nicht berechnen. 

Natürlich soll die Menge der Metallzugabe auch von der Dosis her dem pflanzlichen Auszug anpasst werden. Anhaltspunkte für die richtige Dosierung ergeben sich für die pflanzlichen Komponenten am einfachsten aus der Phytotherapie und für die mineralischen oder metallischen Anteile aus der Orthomolekularen Medizin. 

Die so gewonnenen Tinkturen werden in der Regel weder verdünnt noch eingeengt und können in der richtigen Dosierung eingenommen werden. 

Anstatt die Pflanzen mit Alkohol zu mazerieren, kann man sie auch mittels Hefen in einem wäßrigen Ansatz vergären. Damit die Vergärung sicherer verläuft, gibt man Honig, Saccharose (2 oder Traubensaft zu. Als "Ferment" nimmt man Saccharomyces cervisiae (2 oder ~ boulardii (2. Sollte der Alkoholgehalt für eine sehr lange Haltbarkeit nicht genügend hoch sein, muß Weingeist zufügt werden. Ein Gesamtethanolgehalt von ca. 25 Gew.% dürfte im allgemeinen ausreichend sein.

Beispiele: 

Ein Verfahren, das sich bis jetzt sehr gut bewährt hat und zuverlässig zu befriedigenden Ergebnissen führt, die sich auch therapeutisch anwenden lassen, ist in zwei Variationen an zwei Beispielen im Folgenden dargestellt. 

Melissa sine cinere spag. JCBauer 

Rp.    Frische Melissenblätter und/oder 

frische obere Triebe mit Blättern 250,0 

Roter Traubensaft 750,0 (Demeter Chianti o.ä.) 

Saccharomyces boulardii 1,0 

Gib alles in ein Glas- oder Steingutgefäß und mische es gründlich mit einem Glasstab oder mit einem Holzlöffel. Verschließe das Glas mit einem aufgelegten Deckel so, daß von außen nichts hineingelangen, der entstehende Überdruck aber entweichen kann. Öffne den Ansatz jeden Tag kurz und rühre ihn gründlich durch. Drei Tage nachdem die Bildung von CO2 (Kohlensäurebläschen) zum Stillstand gekommen ist, wird der ganze Ansatz abgepreßt. Die Flüssigkeit wird nach dem Sedimentieren (3 dekantiert und in Flaschen abgefüllt. Beschrifte die Flaschen mit der Bezeichnung "Melissa sine cinere spag. JCBauer"

Soll die Zubereitung sehr lange haltbar sein, muß noch Weingeist zugegeben werden.

Beispiel: 

Rp.    Melissa sine cinere spag. JCBauer 80,0 

Ethanol 96 % ad 100,0 

Urtica dioica cum cinere spag. JCBauer 

Rp.    Frische Blätter der großen Brennessel (Urtica dioica) 250,0 

Roter Traubensaft 750,0 (Demeter Chianti o.ä.) 

Saccharomyces boulardii 1,0 (4 Kapseln à 250 mg) 

Gib alles in ein Glas- oder Steingutgefäß und mische es gründlich mit einem Glasstab oder mit einem Holzlöffel. Verschließe das Glas mit einem aufgelegten Deckel so, daß von außen nichts hineingelangen, der entstehende Überdruck aber entweichen kann. Öffne den Ansatz jeden Tag kurz und rühr ihn gründlich durch. Drei Tage nachdem die Bildung von CO2 (Kohlensäurebläschen) zum Stillstand gekommen ist, wird das Flüssige vom Festen getrennt, indem der ganze Ansatz abgepreßt wird. Der Preßrückstand wird getrocknet und in einer Pyroflam- Schale mit darunter angebrachtem Bunsenbrenner oder mit einer vergleichbaren Wärmequelle in einem vergleichbaren Gefäß unter wiederholtem Umrühren mit einem Glas- oder Porzellanstab verascht. Die Asche wird erkaltet zur abgepreßten Flüssigkeit gegeben. Die Mischung wird über einen Zeitraum von einer Woche dreimal täglich gut geschüttelt oder gerührt. Dann wird sie nach dem Sedimentieren dekantiert und in Flaschen abgefüllt. Beschrifte die Flaschen mit der Bezeichnung "Urtica dioica cum cinere spag. JCBauer"

Soll die Zubereitung sehr lange haltbar sein, muß noch Weingeist zugegeben werden. 

Beispiel: 

Rp.    Urtica dioica cum cinere spag. JCBauer 80,0 

Ethanol 96 % ad 100,0 

Die Variation "cum cinere" ist immer dann angezeigt, wenn die Zubereitung einen antitartarischen Effekt haben soll. 

2. Essenzen 

Essenzen sind immer Destillate. Die Essenz ist im Gegensatz zur Tinktur nicht oder nur leicht gefärbt, da die eigentlich stark färbenden Pflanzenstoffe nicht flüchtig sind und deshalb nicht ins Destillat gelangen. Häufig wird die Herstellung der Essenzen bei den hochgiftigen Pflanzen empfohlen, die z.B. in der Phytotherapie aufgrund ihrer Giftigkeit nicht angewandt werden können. Durch die Essenzherstellung sollen sie "entgiftet" werden. Die Essenzen dieser giftigen Pflanzen können aber für die praktische Therapie nicht empfohlen werden. Die Indikationsgebiete sind unklar und die therapeutische Wirksamkeit zweifelhaft. 

Viel wichtiger und therapeutisch anwendbar sind Essenzen aus ungiftigen Heilpflanzen mit reichlich ätherischen Ölen. Auch die sogenannten Hydrolate (4, wie sie bei der Wasserdampfdestillation von ätherischen Ölen entstehen, muß man in der Nähe der spagyrischen Essenzen anordnen. Weit bekannt sind hier vor allem das Melissenwasser, Pfefferminzwasser etc. Die Hydrolate sind leider noch wenig auf ihre medizinische Wirkung hin erforscht, obwohl vergleichbare Produkte in früheren Zeiten sehr wichtig waren und in keiner Apotheke fehlen durften. Bedeutungsvoll sind sie auch als Vehikel für andere Zubereitungen, die sie in ihrer Wirkung unterstützen. So kann man zum Beispiel spagyrische Metallzubereitungen in ihnen lösen. 

Ein sehr einfaches Verfahren, das zur einer sogenannten Quintessenz aus Pflanzen führt und gerne bei ungiftigen aromatischen Pflanzen zur Anwendung kommt, wird folgendermaßen durchgeführt:

Man nimmt Wurzeln, Blätter, Blüten, die gesamte Frischpflanze oder die entsprechenden Droge (die Ebene des Elements Erde), je nach dem, was man braucht, und gibt es in einen großen Weithalsrundkolben. Auf die Heilpflanze wird destilliertes Wasser gegossen. Alles wird gut durchmischt und bleibt 24 Stunden stehen (die Ebene des Elements Wasser) (5. Nach diesen 24 Stunden fügt man einen hochprozentigen echten Spiritus e Vino hinzu und kocht (die Ebene des Elements Feuer) alles ganz sanft - mit geringster Wärmezufuhr, die gerade den Kochvorgang nicht abbrechen läßt - unter Rückfluß (Zirkulation oder Rotation). Nach 24 Stunden wird im Wasserbad - damit nichts anbrennt - unter Vakuum abdestilliert (die Ebene des Elements Luft). Das Destillat ist eine einfache Quintessenz aus Heilpflanzen. Diese sehr einfache Zubereitungsart kann für "Melissengeist" und ähnliche Erzeugnisse gut verwendet werden. 

3. Extrakte 

Sehr hochwertige pflanzliche Zubereitungen entstehen bei der spagyrischen Extraktherstellung. Schon in der früheren Spagyrik waren Lösungsmittel wie zum Beispiel Ethanol, Ether, Essigsäureethylester oder Aceton bekannt, mit denen man pflanzliche Auszüge und Extrakte herstellen kann. Aceton stellten die alten Alchymisten zum Beispiel durch Trockendestillation aus Kalziumazetat her. Kalziumazetat wurde wiederum aus kalziniertem Marmor, Muschelschalen, Eierschalen etc. und "destilliertem" Weinessig hergestellt. Essigsäureethylester wurde durch die lange Rotation (Zirkulation) und anschließende Destillation von Weingeist und "destilliertem Essig" gewonnen. Ether entstand bei der Destillation von Weingeist und Spiritus vitrioli oder Oleum vitrioli (Schwefelsäure). Die spagyrischen Extrakte kann man vielleicht mit den modernen Extrakten, wie sie auch in der Phytotherapie verwendet werden, vergleichen. Auch heutzutage werden ja bekanntlich immer noch pflanzliche Extrakte beispielsweise durch Ethanol, Aceton oder Essigsäureethylester gewonnen. 

Theophrast von Hohenheim, genannt Paracelsus, der große Spagyriker Europas, beschrieb auch im III. Traktat des zweiten Buches 'Über den Stein' eine sehr einfache Extraktherstellung: 

Wenn ich von Rezepten spreche, will ich immer, daß bei den Mitteln das Reine vom Unreinen geschieden werde. Wenn ich vom Mohne spreche, mein ich den, bei dem das Reine von dem Unreinen geschieden wurde. Der Mohn muß präpariert werden und so bereitet liefert er eine Flüssigkeit. Jusquiamum und papaver nimm mit den Samen und der Pflanze. Stoße das Ganze und lege es in einen gut verschlossenen Topf. Lasse es ohne Sieden 3, 4, 5 Tage im Balneum Maris und dann seihe durch ein Tuch. Dann koche dies und lasse es abdampfen, bis es die Dichte von Honig erlangt. Das ist dann die Flüssigkeit von papavere, iusquiamo und anderen Pflanzen. So muß das Reine vom Unreinen geschieden werden.


Paracelsus nimmt also in diesem Fall die frische Pflanze, stößt sie zu einem Brei, gibt den Brei in einen gut verschlossenen Topf und erwärmt das Ganze auf eine Temperatur, die unterhalb vom Siedepunkt des Wassers liegt. Nach 3, 4 oder 5 Tagen ist im Topf eine Trennung entstanden. Es ist eine Flüssigkeit vorhanden - die einen Auszug aus der Pflanze mittels dem pflanzeneigenen Saft darstellt - und die unlöslichen Pflanzenrückstände. Die Flüssigkeit wird durch ein Tuch filtriert und von den unlöslichen Pflanzenteilen abgepreßt, dann eingekocht, bis sie die Konsistenz von Honig hat. Es ist ein halbfestes Extrakt. Die Methode kann bei Pflanzen angewandt werden, bei denen das wirksame Prinzip nicht durch die Hitze zerstört wird. 

Wenn man Extrakte herstellen möchte, kann man natürlich auch von den Tinkturen ausgehen. Die Weiterverarbeitung zum Extrakt ist auch bei den oben geschilderten Verfahren "spag. JCBauer" sinnvoll und möglich. Es sollen aber dazu möglichst niedrige Temperaturen angewandt werden. Wenn man einen Rotationsverdampfer zur Verfügung hat, kann man durch Evakuieren sehr niedrige Temperaturen bei der Destillation realisieren. Im Grunde wäre aber die Lyophilisation (6 ideal. Die Extrakte, die damit hergestellt werden, kann man sehr gut mit metallischen und mineralischen Zubereitungen kombinieren. 

4. Metallische und mineralische Zubereitungen

Einfache mineralische und metallische Zubereitungen können meist durch die Auflösung von Mineralien oder Metallen oder deren Calcinaten in Wein- oder Obstessig hergestellt werden. 

Beispiel: 

Fein pulverisiertes metallisches Zink wird in Apfelessig gekocht. Die Abnahme der Flüssigkeit, die durch das Verdampfen entsteht, wird immer wieder durch die Zugabe von neuem Apfelessig ausgeglichen. Man kocht so lange, bis sich das Zink restlos gelöst hat. Dann dampft man die Flüssigkeit bis zur honigartigen Konsistenz ein und mischt sie anschließend mit Bienenhonig in einem gewünschten Verhältnis. Die Zubereitung kann sehr gut dosiert werden, da man exakt weiß, welche Menge Zink welcher Menge der fertigen Zubereitung entspricht. 

Zubereitungen dieser Art kann man natürlich mit pflanzlichen Tinkturen, Essenzen und Extrakten kombinieren indem man sie in diesen auflöst oder sie mit diesen vermischt. Natürlich kann man aber auch aus pflanzlichen und pflanzlich-metallischen oder pflanzlich-mineralischen Tinkturen Extrakte herstellen.Wenn man alles Flüchtige bei möglichst niedrigen Temperaturen abgezogen hat, bleibt ein Extrakt zurück, den man sehr gut zu festen Darreichungsformen, beispielsweise zu Kapseln, weiterverarbeiten kann. 

Jürgen Christian Bauer 

 

Glossar

1) antitartarisch = gegen Harnsäureablagerungen u.ä. wirkend 

2) Saccharose = Rohrzucker, Rübenzucker 
2) Saccharomyces cervisiae = Bierhefe 
2) Saccharomyces boulardii = eine medizinische Hefe 

3) Sedimentieren = Absetzenlassen der unlöslichen Bestandteile 

4) Hydrolat = destilliertes Wasser, das bei der Wasserdampfdestillation von Pflanzen mit hohem Gehalt ätherischer Öle anfällt 

5) Ein ähnliches Verfahren besteht darin, daß man die Pflanzenteile nicht in Wasser einlegt, sondern in einer Saccharose-, Honiglösung oder in Traubensaft. Mittels Saccharomyces cervisiae wird der Ansatz vergoren und nach Abschluß der Vergärung wie schon oben beschrieben zirkuliert und destilliert. Die "Wasser-Zeit" verlängert sich dann natürlich entsprechend der Gärdauer.

6) Lyophilisation = Gefriertrocknung

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