Loewe

LABORPRAXIS

der Alchemie

WER ZÄHMT DEN GRÜNEN LÖWEN

Beitrag von Karl Hollerbach
aus Hermes Nr. 1

Der grüne Löwe frißt die Sonne (Rosarium philosophorum, 16. Jh)

Es gibt wohl eine ganze Reihe von Präparaten, die diesen stolzen Namen tragen. Ein völlig anderes auf der Basis von Antimon wird z.B. in der "Praktischen Alchemie im 20. Jahrhundert" von Frater Albertus auf S. 24 der Auflage von 1970 angesprochen. Wenn man davon ausgeht, daß der Rote Löwe der große Stein ist und der Grüne Löwe ein ebenfalls höchstentwickeltes Präparat darstellen soll, erscheint mir jede aktuelle Zuordnung zweifelhaft oder zumindest sehr genau zu überprüfen. Jedoch - unabhängig von dieser Entscheidung war unsere Arbeit doch so interessant auf ihren verschiedenen Ebenen, daß ich sie hier vorstellen möchte.

Die Vorschrift, in der uns vorliegenden Form, stammt von einer amerikanischen Alchemistin, Betty McKay. Diese hat offenbar zwei Texte verschmolzen, ebenso offenbar auch sorgfältig und redlich daran gearbeitet.

Bei einem der Ausgangstexten handelt es sich um eine Stelle aus Chrisoph Glaser's "The Compleat Chemist", herausgegeben von John Starkey. Das Werk ist in der deutschen Übersetzung greifbar unter dem Titel "Neu-eröffnete Chymische Artzney- und Werck-Schul" als Reprint heim Verlag Chemie, Weinheim, dort zu finden auf Seite 116 ff. Hier ist allerdings nur die Bereitung des Eisen-Vitriols beschrieben, also weder der Zusatz eines magnetischen Erzes noch der von Kupfer.

Im Glaser'schen Original zur Bereitung des Eisen-Vitriols sieht das so aus:

HIER FEHLT EIN BILD

Die Vorschrift von Betty McKay - reduziert auf das Mengenschema lautet:

3 Teile reine Schwefelsäure + 9 Teile destilliertes Wasser vorsichtig mischen (Nach der Regel: Erst das Wasser, dann die Säure, sonst geschieht das ungeheure - die Mischung erhitzt sich bis an den Siedepunkt; kann bei umgekehrtem Vorgehen spritzen und zu schwersten Verätzungen führen!!!)

1 Teil Eisenfeile oder Pulver eines magnetischen Eisenerzes und 1 Teil Kupferpulver werden gemischt und mit 3/4 der Menge an verdünnter Schwefelsäure übergossen. Der Ansatz wird 3 Tage im Sandbad putrefiziert. Dabei stinkt es gewaltig. Danach wird abgegossen, aus der grünen, heißen Lösung kristallisiert dann bei richtig abgelaufener Reaktion ein einheitliches, grünblaues Salz aus. Der Rückstand kann noch einmal mit dem Rest der Säure ausgezogen werden."

Wir sind von dieser Vorschrift aus noch ein wenig weiter gegangen. Zum dem Zeitpunkt, an dem wir die Arbeit begonnen haben, hatten wir astrologisch eine gradgenaue Konjunktion von Venus und Mars im zehnten Haus, dem Haus des Steinbocks und Saturns, also der Konkretisierung einer Entwicklung der stofflichen Basis in den strukturellen, gesetzmäßigen, form-mäßigen Bereic hinein. Ebenfalls in Konjunktion standen Uranus und Neptun, die für die Kräfte des Magnetismus und der Elektrizität stehen.

HIER FEHLT EIN BILD

Wir haben eine Mischung von Eisenpulver (bzw. Eisenfeilspänen) und im Mörser pulverisiertem Magnetit verwendet. Dieses Magnetit ist allerdings ein chemisch anders zusammengesetztes Erz, es handelt sich nicht um ein Sulfid, sondern ein Oxid. Seine magnetische Kraft ist um ein Vielfaches höher als die von Pyrrhotin, es stinkt nicht so derb bei der Putrefaktion. Andererseits hat es eben auch nicht soviel Sulfur - im doppelten Sinn, die Farbe der erhaltenen Kristalle war nicht so schön ausgeprägt, wie wir es auf den Bildern von einem Seminar in den USA sehen konnten. Ideal wäre vielleicht eine Mischung der Erze Magnetit liefert die starke magnetische Kraft, Pyrrhotin den Schwefel. - Außerdem haben wir der Mischung noch ein wenig Meteoreisen-Späne zugefügt und so das irdische und das himmlische Eisen eingebracht.

Beim reinen Kupferpulver haben wir nichts weiter modifiziert sondern hochreines Cu-Pulver, p.A. Qualität eingesetzt. Ebenso stammte die Schwefelsäure aus dem Chemikalienhandel.

Das Wasser haben wir wiederum aus zwei Quellen genommen: zum einen destilliertes Leitungswasser (das aus einer sehr guten Quelle in unserer Nähe stammt und, oh Wunder, ungechlort ist) und die gleiche Menge Schnee. Hier haben wir die Schwefelsäure vorsichtig einfließen lassen, sie wurde trotz des Schnees siedend heiß!

Die Putrefaktion haben wir, der Seminar-Ungeduld und der Angst vor eine Fehlreaktion folgend (die sich wohl auch nicht selten ergibt), bereits nach einigen Stunden abgebrochen. Die Farbe der Lösung war bereits schön blaugrün. Unter der grünen Lösung war ein Bodensatz von schwarzem metallischem Pulver und weißem Schlamm. Wir haben vorsichtig dekantiert, filtriert, die feces noch einmal neu mit dem Rest der verdünnten Schwefelsäure angesetzt. Aus der noch heißen, filtrierten Lösung schoß beim Abkühlen dann wirklich ein eindrucksvoll großer, blaß blaugrüner Kristallkuchen hervor. Das gleiche geschah dann später mit dem zweiten Ansatz. Ich habe später noch einen Teil des Vitriols mit destilliertem Wasser mehrfach umkristallisiert, so ein wenig von der freien Säure entfernt (abgesüßt) und auf diesem Wege einen schönen, inzwischen etwas kräftiger gefärbten Einzelkristall erhalten.

Was haben wir da eigentlich gemacht, und worum geht es? Eisen und Kupfer, Mars und Venus, männlich und weiblich, Magnetismus und Elektrizität, kosmische und irdische Einflüsse wurden mit Hilfe der Schwefelsäure ('Vitrioöl') zu einem klaren Kristall vereint. Dabei soll dem magnetischen Feld eine besondere Bedeutung zukommen - da es die Energien im Kolben beisammenhält.

Als Verwendungsmöglichkeit lernten wir kennen: zwei Texte zur Weiterarbeit in Richtung des großen Steins (wir haben es aber nicht getan, ich kann also nichts dazu sagen) von Paracelsus.

Eine innerliche Anwendung wurde nicht angegeben - ich wäre damit im übrigen auch ein wenig vorsichtig. Bei dem vorgelegten Eisenerz wissen wir ohne Analyse nichts über den Anteil an Schwermetallen, Arsen, Antimon usw. Wenn wir nun stofflich relevante Mengen einnehmen würden, ohne dies zuvor zu untersuchen liessen sich Vergiftungen nicht a priori ausschließen.

Die hauptsächliche medizinische Anwendung ist die als äußerliches Wundheilmittel. Zitat: "Für das schnelle Abheilen offener Wunden über Nacht lasse etwas Blut in Mull einziehen, löse etwas von dem Grünen Löwen in destilliertem Wasser auf, nachdem er im Mörser zerrieben wurde, tauche den Mull in diese Lösung und appliziere ihn auf die Wunde. Sie heilt, ohne Narben zu hinterlassen."

Wenn wir Mars und Venus vereinigen können - die Aggression, die ungezügelte Dynamik und die Harmonie, die Stabilität, kann es wohl auch gelingen, die Folgen der Aggression - Verletzungen, Wunden, aber evtl. auch Infektionen usw. zu lindern.

Hierzu eine Randbemerkung: Mir ist eine ähnliche Anwendungsweise von Kupfervitriol bekannt. Hierbei nimmt man mit Verbandmaterial, Zellstoff o.ä. Blut, Eiter, Urin, Speichel, Auswurf und ähnliche Krankheitsausscheidungen auf. Diese werden dann in eine recht dünne Lösung des Kupfervitriols in einem offenen Glas eingebracht. Dieses Glas soll mehrere Stunden bis Tage im direkten Umkreis des Kranken stehen. Die Ausstrahlung der Krankheitsprodukte wird durch das Kupfervitriol transformiert (entsprechend den homöopathischen Nosoden) und soll eine extrem rasche und komplikationslose Heilung bewirken. Diese Anwendung soll nach meinen Informationen von Paracelsus stammen.

Karl Hollerbach

 

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