Weinstein

LABORPRAXIS

der Alchemie

WEINSTEIN - EIN ARBEITSPROTOKOLL

Beitrag von Oliver Humberg
aus Hermes Nr. 14

Im September 1998 fand bei Unterwasser im oberen Toggenburg ein von Max Güller organisierter Kurs mit Siegfried Seifert statt, in dem es um verschiedene Zubereitungen aus Weinstein ging. Gearbeitet wurde nach Vorschriften von Kenelm Digby, Georg v. Welling und Joel Langelottus, wie sie in der Textsammlung ‘Tartarus’von Manfred Junius enthalten sind.

Digby und Langelottus geben Vorschriften zur Flüchtigmachung des Weinsteines bzw. seines Salzes. Der an sich recht einfache Versuch nach Langelottus scheiterte aus noch nicht geklärten Gründen. Von Digbys ebenfalls einfachem, aber sehr zeitaufwendigem Weg konnten die einzelnen Etappen nur exemplarisch durchgeführt, aber nicht oft genug wiederholt werden, um zum Erfolg zu führen. Schöne Ergebnisse, und gleich drei verschiedene, zeitigten dagegen die Bemühungen um eine Tinktur aus dem Weinstein, deren Arbeitsprotokoll hier gegeben werden soll.

Nimm den besten Weinstein soviel du willst, denselben zerstoße gröblich und tue ihn in eine steinerne Retorte und destilliere bei offenem Feuer secundum legem artis.

Ungefähr ein Pfund Weinstein aus biologischem Weinbau wurde grob gepulvert. Nicht zu fein, sonst droht er zu verbacken bzw. zu verschmelzen. Der damit befüllte Glaskolben kam in ein Sandbad, das zuerst elektrisch beheizt wurde. Da nach mehreren Stunden nur ganz wenig Feuchtigkeit übergekommen war, zogen wir mit dem Sandbad ins Freie und stellten es auf eine offene Gasflamme.

In dieser Destillation bekommst du erstlich ein etwas geistliches Wasser (insgemein spiritus Tartari genannt), dann kommt mit stärkerem Feuer das stinkende Öl oder grobe Schwefel des Weinsteins.

Die Temperatur im Sandbad stieg auf ca. 420°C. Später verstärkten wir die Flamme, so daß das Thermometer auf 480°C kletterte. Die Apparatur füllte sich mit weißem Dampf, der zu einer trüben Flüssigkeit kondensierte. Daneben zeigten sich rotbraune Streifen im Kühler.

Treibe also mit gewaltigem Feuer, daß nichts mehr übergehen will, dann halte noch ein paar Stunden mit gewaltigem Feuer also an. Nach dem lasse alles erkalten. Hast du nun recht gearbeitet und ist dir nichts entflogen oder der Recipient zersprungen, so hast du in demselben das spirituose Wasser und stinkende Öl, und in der Retorte ein pechschwarzes caput mortuum.

Nach wenigen Stunden Trockendestillation, die von einem scharfen Wind beeinträchtigt wurde, waren das Ergebnis ca. 70 ml trübe gelbgrünen Geistes, auf dem ein übelriechendes Öl in schweren schwarzen Tropfen bzw. als Film obenauf schwamm. Da der Gasvorrat ausgegangen war, mußten wir damit zufrieden sein und brachen ab.

Nun scheide das Öl von dem Geiste durch ein separatorium.

Das schwarze Öl setzte sich beim Durchgießen ins zuvor angefeuchtete Filterpapier fest und wurde als vermutlich krebserregend verworfen. Das Papier wurde angefeuchtet, um Verluste durch Aufsaugen zu vermeiden. Das Filtrat ist etwas trübe und hat die Farbe eines kräftigen Nasenrotzes.

Den spiritum rectificiere einmal, zwei oder drei über ein Teil des capitis mortui, als daß du zu jeder Rectification ein frischen Teil des capitis mortui nehmest, alsdann verwahre diesen spiritum sehr wohl.

Der nur unvollständig verkohlte Rückstand wird bei ca. 250°C weitercalciniert, dann davon ungefähr zwei Teelöffel in einen Kolben gefüllt, der Geist zugegeben und im Ölbad von ca. 120°C überdestilliert. Der Geist geht petersilienartig riechend über, führt aber noch Spuren des Öls in kleinen Tropfen mit sich. Nach Abkühlung ließen sich diese ausfiltern. Filtrat etwas weniger trüb.

Ferner nimm alle dein ausgeglühtes caput mortuum und extrahier demselben mit reinem Wasser alles Sal Tartari.

Die gesamte Kohle, auch die aus der Rektifikation des Geistes, wird bei ca. 600°C kalziniert, mit destilliertem Wasser ausgelaugt und durch Filtern und Eindampfen gereinigt zurückgewonnen.

Auf demselben, ehe du was weiters damit vornimmst, rectificiere deinen spiritum Tartari gleichfalls einmal oder drei.

Bei dieser Rektifikation blieb ein teerartiger Rückstand im Kolben. Das Destillat war immer noch nicht genug gereinigt, so daß die vorige Rektifikation über der Kohle noch zweimal wiederholt wurde. Gereinigte und speziell aufbereitete Aktivkohle aus der Apotheke wäre wahrscheinlich wirkungsvoller gewesen. Denn wie später bestätigt werden konnte, enthielt die eigene Kohle noch große Mengen stinkenden Öles, die jeweils mit übergingen.

Zuletzt rectificiere denselben ex balneo Mari von demjenigen, wonach alle Menschen des Erdkreises am begierigsten sind. Weißt du aber dasselbe nicht vorhero dazu zu bereiten, so ist dein Bemühen gänzlich umsonst.

Während einer letzten Destillation verhinderte das Schräglegen der Vorlage die Verwirbelung des Öles durch die vom Vorstoß herabfallenden Tropfen. Nunmehr blieb alles Öl im Filter hängen. Der Geist ist von seiner goldgelben Farbe befreit, wasserhell, klar und riecht einigermaßen erträglich.

Alsdann ist der spiritus Tartari vollkömmlich bereitet. Denselben verwahre nunmehro überaus wohl.

Gemessene Freude über ca. 40 ml gereinigten Geist.

Nach diesem glühe das Sal Tartari wohl wieder aus, damit alles phlegma und Feuchtigkeit gänzlich davon weiche. Dann zerstoße es in einem warmen Mörsel und tue es geschwind in einen Glaskolben und gieß rectificierten spiritum Vini darauf. Destilliere aus der Asche diese Rectification des spiritus Vini, repetier bis zu dreien Malen, doch daß das Sal Tartari allemal frisch ausgeglüht seie.

Die hier vorgeschlagene Entwässerung von Weingeist schenkten wir uns.

Letztlich reinige das Sal Tartari durch die Solution, Filtration und Coagulation, bis dasselbe schneeweiß ist.

Zusätzlich wurde auf vorbereitetes, mitgebrachtes kalziniertes Weinsteinsalz zurückgegriffen.

Dessen nimm nun quantum tibi satis, dasselbe tue in einen guten Schmelztiegel, daß derselbe nur auf die Hälfte angefüllt sei. Denselben setze ins Feuer, laß es wohl fließen. Dasselbe treibe mit starkem Feuer so lange, bis das Sal Tartari blau oder blaugrün erscheint.

Im elektrischen Emailofen lief bei ca. 1100°C die Schmelze durch einen Sprung im Tiegel aus und ergab gelbweiße, teils auch leicht grünliche kaugummiartige Klumpen. Ein weiterer Schmelzversuch ergab in den oberen Schichten der Schmelze himmelblaue Farbe, ein weiterer Tiegel enthielt eine rötliche Schmelze.

Unterdessen muß ein anderer den spiritum Tartari rectificatum quantum satis in einer großen Phiole gegen dem Feuer erwärmen.

Haben wir uns geschenkt. Die spätere Mischung wird von selbst warm.

Dann gieße das Sal Tartari in einen ziemlich warmgemachten eisernen Mörsel und zerstoße es geschwind, damit es nicht die allergeringste Luft an sich ziehe und schütte es also noch ganz warm geschwind in den gewärmten spiritum Tartari.

Solch große Eile ist nicht nötig. Erst nach mehreren Stunden zieht die erstarrte Schmelze Wasser aus der Luft. Beim Übergießen des blauen Pulvers Erwärmung.

Dann die Phiole dichte zugehalten und schüttele es so lange, bis der spiritus Tartari sein Salz aufgelöst habe.

Trüb grünliche Färbung, keine vollständige Auflösung.

Alsdenn schütte geschwind soviel des vorher bereiteten spiritus Vini rectificatissimi quantum satis hinein, und ja nicht mehr. Dann schüttele und rüttele es wohl untereinander, so bekommst du augenblicklich eine blutrote, überaus saturierte Tinctur wie ein gestocktes Blut.

Die Zugabe der gleichen Menge 93%igen Weingeistes (also ca. 40 ml) färbt den Inhalt des Kolbens deutlich gelb, nach einiger Zeit gelb-rot. Wir stellen den Kolben mit aufgesetztem Rückflußkühler zur Zirkulation ins Öl­bad bei ca. 94°C. Teerartige Unreinigkeiten setzen sich am Kolbenrand ab.

Und unten scheidet sich ein wenig blaulichte Gallerte, so das übrige Sal Tartari ist.

Nach mehreren Stunden der Zirkulation dekantieren wir davon braun-rot die Tinktur. Der salzige Rückstand mit den Resten des Geistes wird noch mehrere Tage mit frischem Weingeist zirkuliert. Wieder scheiden sich Unreinheiten ab, die ausgefiltert werden. Am Ende fügen wir beide Tinkturen zusammen, lassen noch einmal zirkulieren, kühlen dann ab, filtrieren und füllen das Ergebnis, eine klare dunkel rubinrote Tinktur, in Fläschchen zur Einnahme.

Dieses ist nun eine wahrhafte tinctura Tartari, nach philosophischer und nicht nach gemeiner Apothekerweise bereitet, deren Nutzen einem Arzt schon bekannt sein wird.

Bis heute bestätigen Praktiker aus ihrer Erfahrung immer wieder die Eignung von Zubereitungen aus Weinstein zur Anwendung gemäß der Signatur vor allem bei Steinbildungen (zum Beispiel in Niere und Galle), sowie bei Ablagerungen rheumatischer bzw. gichtiger Art. Bei allen Teilnehmern des Kurses stellte sich schon während der Verarbeitung eine reiche Ausschwemmung ein.

Als Nebenarbeiten wurden die rote Schmelze und die blaue Schmelze, die an den zerplatzten Tiegeln hing, gesondert mit 93%igem Weingeist extrahiert und zirkuliert, wobei wir aus der blauen eine schön orangegelbe, angenehm nach Bucheckern schmeckende, und aus der roten eine zuerst blaue, später jedoch ebenfalls strahlend gelbe und auch nach längerer Zirkulation keine Unreinheiten zeigende Tinktur zogen.

Oliver Humberg

Weinsteintinktur
nach Georg von Welling ‘Opus mago-cabbalisticum’pp. 230 ss.

 

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